Wenn Tiefe stört, bist du halt im Planschbecken.
Ein Schwimmbad, ein Gedanke und ein Fuchs in Bewegung
Neulich war ich – nach gefühlt hundert Jahren – mal wieder im Sportschwimmbad: Deutsches Sportabzeichen. Schwimmdisziplin.
Ich hatte fast vergessen, wie Chlor riecht und wie sich das Wasserverschlucken anfühlt.
Während neben mir Rentner:innen Brust schwammen, am Beckenrand ein Bademeister seine Stoppuhr drückte und im anderen Becken Kinder quietschten, ging mir plötzlich ein Satz durch den Kopf:
„Wenn Tiefe stört, bist du halt im Planschbecken.“
Und irgendwie traf der mitten rein.
Willkommen im Flachwasser der Gesellschaft
Es gibt Tage, da fühle ich mich wie ein Taucher in einer Welt voller Schwimmflügel.
Menschen planschen fröhlich an der Oberfläche, rufen sich zu, wie schön das Wetter ist, und ich denke: Leute, da unten ist ein ganzer Ozean!
Aber sobald du mal kurz abtauchst, um zu sehen, was da unten eigentlich los ist, kommt sofort jemand mit einem Rettungsring:
„Mach’s nicht so kompliziert.“
„Denk nicht so viel.“
„Kannst du nicht einfach mal abschalten?“
Nein. Kann ich nicht. Und will ich auch gar nicht.
Denn wenn Tiefe stört, ist das kein Problem der Tiefe.
Dann bist du einfach im falschen Becken.
Zwischen Sprungturm und Nichtschwimmerbereich
Unsere Welt liebt die Oberfläche.
Glatt, schnell, filtertauglich.
Wir scrollen statt zu spüren, reagieren statt zu reflektieren und nennen das dann „Effizienz“.
Komplexität? Wird wegrationalisiert.
Ambivalenz? Gilt als Schwäche.
Differenzierung? Bringt schlechte Klickzahlen.
Und während viele eifrig ihre Bahnen ziehen,
stehen die Tiefseetaucher:innen am Beckenrand und fragen sich:
Bin ich zu viel? Zu intensiv? Zu anstrengend?
Nein, du bist einfach nur kein Plantschtyp.
Du bist der Mensch, der das Lichtspiel unter Wasser sieht, der erkennt, wie Strömungen entstehen und der spürt, dass das Wasser nicht überall gleich warm ist.
Du bist der Mensch, der nicht das System am Laufen hält,
sondern der überhaupt dafür sorgt, dass es sich weiterentwickelt, weil du dich traust, zu fragen, wo andere schweigen oder ablenken.
Exkurs – Unterkomplexität als gesellschaftliche Schwimmhilfe
Unterkomplexität ist die mentale Schwimmweste der modernen Gesellschaft.
Sie hält dich über Wasser, aber sie hindert dich auch daran, wirklich zu schwimmen.
Viele halten sich an einfachen Wahrheiten fest, weil sie Angst haben, was passiert, wenn sie loslassen.
Doch wer immer nur oben bleibt, lernt nie, was Tiefe mit Freiheit zu tun hat.
Echte Erkenntnis entsteht erst, wenn wir den Boden nicht mehr sehen und trotzdem weiteratmen. Das nennt man Vertrauen oder schlicht: Bewusstsein.
Coaching-Moment: Ein Gespräch im Tiefwasser
Ich erinnere mich an „Lena“.
Sie sagte: „Ich hab das Gefühl, ich bin zu intensiv. Niemand bleibt lange.“
Und ich fragte: „Oder schwimmen sie einfach nicht tief genug?“
Stille. Dann ein Lachen.
Dann dieser Satz:
„Stimmt. Ich will auch gar nicht mehr flach tauchen.“
Genau das ist der Punkt.
Es geht nicht darum, dass du weniger wirst, sondern dass du aufhörst, dich im Nichtschwimmerbereich zu verstecken.
Reflexionsfragen für alle, die lieber tauchen als treiben
Wenn du das liest, frag dich mal:
Wo hast du dich selbst auf den Beckenrand gesetzt, obwohl du schwimmen willst?
Wann hast du dich kleiner gemacht, um nicht aufzufallen?
In welchen Momenten hast du dich entschuldigt, weil du „zu viel“ warst?
Und wo hast du aufgehört zu tauchen, um niemanden zu verlieren?
Und dann die wichtigste Frage:
👉 Was wäre, wenn du ab jetzt einfach du bleibst und sich eine passende Welt um dich herum findet?
Fazit: Tiefgang ist kein Risiko, sondern Reichtum
Tiefe ist kein Defekt. Tiefe ist Bewusstsein in Bewegung.
Sie ist das Gegenteil von Überforderung (zumindest meistens :-). Sie ist Verbindung.
Wer tiefer taucht, erkennt, wie alles zusammenhängt.
Und ja, manchmal ist das anstrengend (auch für einen selbst :-).
Aber für mich ist nichts, wirklich nichts, ist erfüllender, als Menschen zu begegnen, die keine Angst vor Tiefe haben.
Also, falls dich jemand wieder „zu intensiv“ nennt:
Lächle.
Und sag einfach:
„Kein Problem. Ich bin halt Ozean. Du bist Chlorwasser.“ 🌊
Führung – und Leben – beginnt da, wo es unbequem wird.
Genau dort fängt Wirkung an.
Deine Kristin von #Gedankenakrobaten









