
Mein Hut. Dein Kommentar. Unsere Missverständnisse.
Diese Auszüge eines Dialogs haben an verschiedenen Stellen tatsächlich so stattgefunden.
Und sie sind ein herrlich griffiges Beispiel dafür, was mir in letzter Zeit immer wieder begegnet, je sichtbarer ich werde.
Ich bin sicher: Ich bin damit nicht die Einzige.
„Cooles Foto. Hübsch! … Aber der Hut…“
👉 Mein erster Gedanke: Da ist er wieder. Wieder ein Kommentar. Wieder dieser Nachsatz. Wieder dieses kleine „Aber“, dieses „Eigentlich ja gut, aber…“.
Meine Antwort:
„Ich mag den Hut. Am Ende darf ich mir gefallen und das tue ich. Besonders wegen des Huts.“
Schuldumkehr im Kompliment
Er: „War doch nur nett gemeint. Lies doch nicht gleich negativ zwischen den Zeilen.“
👉 Und genau das ist ein Klassiker: Ich lese nicht negativ.
Ich lese ein Muster. Ein Kompliment mit Fußnote. Eine Wertung.
Fußnote: In der Psychologie nennt man das „Schuldumkehr“. Du schiebst dem anderen die Verantwortung zu, etwas falsch verstanden zu haben – und nimmst dich selbst damit elegant aus der Verantwortung.
Absicht: Wozu dient dieser Kommentar?
Er: „Ich fand den Hut einfach nicht hochwertig genug für dich.“
👉 Okay, jetzt mal ganz ehrlich: Was ist die Absicht hinter so einer Aussage?
Hilft sie mir, glücklicher zu sein? Soll ich also:
keinen Hut mehr tragen?
mir einen „wertigeren“ Hut kaufen?
mich jetzt nicht mehr mit Hut fotografieren lassen?
Wenn es ein Kompliment sein soll, was genau ist dann der Wert für mich?
Oder war es einfach nur ein Impuls, irgendetwas zu kommentieren?
„Hättest du gesagt, dass der Hut deiner verstorbenen Oma gehört…“
👉 Schon mal darüber nachgedacht, dass es nicht nur ein Accessoire sein könnte?
Dass der Hut vielleicht ein Geschenk meiner verstorbenen Oma ist?
Oder eine Geste für einen Herzensmenschen, dem ich versprochen habe, ihn zu tragen, damit er Mut fasst, gesund zu werden?
Es geht nicht (nur) um Mode.
Es geht um Bedeutung. Um emotionalen Wert.
Das gilt für Hüte und für vieles mehr, das wir auf Social Media zeigen. Im Übrigen nicht nur hier, sondern auch im ganz echten Leben.
Und genau deshalb sind solche Kommentare auch keine Nebensächlichkeit.
Sie können – oft unbewusst – zu einer Beleidigung werden:
an der Erinnerung an meine Oma,
an einer Geste, die voller Liebe gemeint war,
oder ein anderer Wert, den ich persönlich diesem Hut beimesse.
„You never know…“
In die Arena steigen
Genau darum geht es.
Du weißt nie, welche Geschichte, welcher Mensch, welche Bedeutung hinter einem Gegenstand steckt.
Dennoch ist es völlig normal, mal eben einfach so zu kommentieren. Aber deshalb ist es noch längst nicht normal, daraufhin einfach zu lächeln und „Danke“ für ein vermeintliches Kompliment zu sagen.
Manchmal bedeutet Respekt, dass ich mich klar hinstelle und in die Arena steige:
👉 für meine Werte,
👉 für die Menschen, die mir wichtig sind,
👉 für das, was nicht verhandelbar ist.
Das würdest du doch auch, wenn es um deine Werte, deine Familie geht.
“Sensibelchen!” Echt jetzt?
Nope!
Es geht nicht darum, hypersensibel auf jede Bemerkung zu reagieren.
Es geht darum, dass Kommentare über Äußeres oder Materielles oft eine tiefere Schicht berühren und dann eben nicht mehr „nur Meinung“ sind, sondern ggf. an etwas Heiligem rühren.
Social Media: Mein Hut. Dein Kommentar.
Und ja, ich weiß: „So ist Social Media.“ Kommentare gehören dazu, freie Meinung, so läuft´s.
Genauso gehört aber dazu:
👉 Du sagst: „Dein Hut gefällt mir nicht.“
👉 Ich sage: „Dein Kommentar schmeckt mir nicht.“
Also gut, steigen wir in den Ring von Social Media.
Aber dann gilt auch: Wer austeilt, darf einstecken.
Haltung statt Hüte
Worum es wirklich geht:
Ich erwarte nicht, dass Menschen hellsehen können.
Ich weiß allerdings, empathische, reflektierte, lebenserfahrene Menschen treffen eine ganz simple Annahme:
👉 „Sie wird ihre Gründe haben.“
Und genau deshalb halten sie sich zurück.
Oder sie fragen nach.
Oder sie denken:
„Mir gefällt der Hut nicht. Punkt.“
Das ist der Unterschied. Und davor ziehe ich meinen Hut.
Fazit
Am Ende geht es nicht um Hüte.
Es geht um Haltung.
Darum, wie wir miteinander umgehen.
Ob wir Empathie und Respekt praktizieren oder Wertungen verteilen, als wären sie Geschenke. Und das Blöde daran: Viele sind sich über die Existenz dieses Unterschieds noch nicht mal bewusst. Nur schade oder sogar fatal?
Mehr dazu
Dieser Dialog hat wirklich so stattgefunden.
Er ist ein Paradebeispiel dafür, wie Gespräche aktuell laufen, je sichtbarer Menschen werden.
Und ich bin sicher: Viele werden sich in diesem Dialog wiederfinden.
👉 Mehr Gedanken zu Sichtbarkeit, Haltung und Kommunikation findest du in unserem Podcast UN:MUTE – Folge 10: https://youtu.be/qjUM_4mEbxI?feature=shared
👉 Oder diskutiere mit: Wie gehst du mit solchen „Komplimenten mit Fußnote“ um?
Denn Hut ab für die, die den Unterschied kennen und machen.
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