Nett reicht nicht – warum Führung mehr als ein freundliches Lächeln braucht

„Wenn ich nett bin, mögen mich die Leute. Und wenn sie mich mögen, dann respektieren sie mich auch.“
So oder so ähnlich klingt es in vielen Köpfen von Führungskräften. Klingt logisch – ist aber ein Irrtum.

Denn nett macht sympathisch. Nett schafft Nähe, Harmonie und Komfort. Aber nett macht dich nicht automatisch zu einer respektierten Führungskraft. Nett macht dich zur angenehmen Begleitung – maximal zur Kollegin oder zum Kollegen, mit dem man gern Kaffee trinkt. Respekt? Fehlanzeige.

Die Diagonale im Motivkompass: Nett ↔ Respekt

Im Motivkompass gibt es vier Felder, die unsere Grundmotive spiegeln. Auf einer Diagonale liegen das „Grüne“ Feld (Nähe, Harmonie, Kooperation) und das „Rote“ Feld (Status, Durchsetzung, Klarheit). Diese Diagonale wird auch soziale Status-Achse genannt.

Viele Menschen fühlen sich klar auf einer Seite zuhause:

  • Die einen sind eher „Grün“ – sie suchen Verbindung, möchten verstanden werden, sind harmonieorientiert und geben gern Komfort.

  • Die anderen sind eher „Rot“ – sie wollen Klarheit, Ergebnisse, Autorität und Durchsetzungskraft.

Und hier kommt die Krux: Führung braucht beides.

Nett ist „Grün“ – und wichtig, aber nicht genug

Wer „grün“ geprägt ist, kennt den Reflex: lieber begleiten als antreiben. Lieber Nähe herstellen, als Distanz wahren. Lieber einmal mehr Verständnis zeigen, als anecken.

Das hat Vorteile:

  • Mitarbeitende fühlen sich gesehen.

  • Zusammenarbeit läuft kooperativ.

  • Es entsteht ein Wohlfühlklima.

Aber: Wer nur nett ist, verliert schnell an Führungskraft. Entscheidungen ziehen sich. Klarheit fehlt. Menschen genießen die Komfortzone – aber sie entwickeln sich nicht.

Respekt ist „Rot“ – unbequem, aber unverzichtbar

Respekt entsteht anders:

  • Wenn du klar bist und nicht bei jedem Gegenwind einknickst.

  • Wenn du Entscheidungen triffst – und nicht gleich wieder weichspülst.

  • Wenn du Ecken und Kanten zeigst, an denen man sich reiben kann.

  • Wenn du Distanz hältst, damit deine Rolle sichtbar bleibt.

  • Wenn du Grenzen setzt und auch mal „Nein“ sagst.

Genau das ist „Rot“. Und viele „Grüne“ fürchten diesen Schritt. Sie denken: „Wenn ich das mache, mögen sie mich nicht mehr.“
Richtig – manchmal werden sie dich nicht mögen. Aber genau deshalb werden sie dich respektieren.

Die Angst der „Grünen“ – die Genervtheit der „Roten“

Die „Grünen“ denken oft: „Wenn ich mich durchsetze, bin ich ein kalter Despot.“
Die „Roten“ denken oft: „Wenn ich zu viel auf Befindlichkeiten eingehe, verliere ich meine Durchschlagskraft.“

Beides sind Missverständnisse.

  • „Grün“ wird nicht herzlos, nur weil es klarer wird.

  • „Rot“ wird nicht schwach, nur weil es empathischer wird.

Und mal ehrlich:

  • Der „Grüne“ Chef, der sagt: „Wir könnten uns ja mal zusammensetzen… nächste Woche… oder wann es dir passt…“ – sorgt dafür, dass alle warten und nichts passiert.

  • Der „Rote“ Chef, der sagt: „Das machen wir jetzt so. Punkt.“ – sorgt zwar für Bewegung, aber nicht für Vertrauen.

Die Wahrheit ist: Führung heißt pendeln.

Vertrauen – das Pendeln auf der Achse

Das eigentliche Ziel ist Vertrauen.
Und Vertrauen entsteht nicht durch Dauer-Ansagen und auch nicht durch Dauer-Kuscheln. Vertrauen entsteht, wenn wir auf der Achse zwischen „Grün“ und „Rot“ hin- und herpendeln:

  • Nähe und Distanz

  • Empathie und Klarheit

  • Begleitung und Führung

Es braucht beides, damit Menschen dir wirklich folgen.

Praxis-Tipps: So pendelst du bewusst

Wenn du eher „Grün“ bist:

  • Beende einen Satz mit einem Punkt. Ohne „aber“. Ohne Abschwächung.

  • Entscheide bewusst, wann Nähe passt – und wann Distanz wichtiger ist.

  • Frage dich: „Bin ich gerade Begleiter – oder Führungskraft?“

Wenn du eher „Rot“ bist:

  • Halte es aus, nicht sofort die Richtung vorzugeben.

  • Spiegle eine Entscheidung: „Wie kommt das bei euch an?“

  • Frage dich: „Habe ich Klarheit geschaffen – oder nur Fronten verhärtet?“

Persönlicher Gedankenakrobaten-Moment

Ich kenne beide Reflexe.
Manchmal will ich alle mitnehmen, bis es fast zu gemütlich wird – ganz „Grün“.
Und manchmal denke ich: „Jetzt aber Schluss mit dem Gejammer.“ – knallrot.

Beides ist okay. Entscheidend ist, nicht in einer Ecke steckenzubleiben. Führung bedeutet, die eigene Komfortzone immer wieder zu verlassen – und genau dort Wirkung zu entfalten.

Fazit

Nett sein ist schön. Respekt haben ist nötig. Vertrauen entsteht im Spannungsfeld dazwischen.

Wer führen will, muss lernen, beide Saiten zu spielen: die weiche „Grüne“ und den klaren „Roten“ Ton.
Ja, es ist unbequem. Ja, es ist anstrengend. Aber genau dort beginnt echte Wirkung.

Führung beginnt da, wo es unbequem wird – genau dort fängt Wirkung an.
Deine Kristin von #Gedankenakrobaten

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